1,9 Milliarden Unterstützung für die Flugbranche – doch ein nachhaltiges Konzept fehlt

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Für so manche von uns ist völlig klar, dass die Coronakrise nicht die einzige Krise ist, in der wir uns befinden – dem Bundesrat offensichtlich nicht. Bei jedem Einsatz öffentlicher Gelder müssen Beschäftigte und das Klima an erster Stelle stehen. 

Worum geht es?

Nachdem als Folge des Coronavirus die Flugbewegungen auf den Schweizer Landesflughäfen fast vollständig zum Erliegen gekommen sind, gerieten die beiden Fluggesellschaften SWISS und Edelweiss in finanzielle Turbulenzen. Als Reaktion darauf hat der Bundesrat vergangenen Mittwoch bekannt gegeben, dass er dem Parlament für die Unterstützung der Flugbranche Verpflichtungskredite von rund 1,9 Milliarden Franken beantragt. Die 1,875 Milliarden Franken sollen einerseits zur Sicherung der Darlehen an Schweizer Fluggesellschaften eingesetzt werden (1,275 Milliarden Franken) und andererseits die flugnahen Betrieben an den Landesflughäfen unterstützen (600 Millionen Franken).

 

Die volkswirtschaftliche Relevanz der Flugbranche

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der schweizerischen Luftfahrt wird häufig überschätzt. Die gesamte Branche beschäftigt nicht wie oftmals behauptet 190'000 Angestellte. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass rund 67‘000 Personen von der Flugverkehrsbranche abhängig sind – davon sind 44'000 Personen direkt Angestellte. Die Mär der 190'000 Angestellten, welche von der Flugbranche abhängig seien, kommt von einer Berechnung, die versucht sämtliche «induzierte» und «katalytische» Effekte zu berücksichtigen. Entsprechend werden etwa auch Personen in die Berechnung mit einbezogen, welche von den Einkäufen einer Pilotin oder eines Flugbegleiters profitieren. Zudem werden Beschäftigte mitgerechnet, welche Einnahmen durch mit dem Flugzeug angereiste Touristen generieren.

Zur ganz offensichtlich überschätzten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Branche kommt hinzu, dass deren massive Auswirkungen auf die Umwelt immer noch ignoriert werden. So ist der Luftverkehr bereits heute für 19% des menschengemachten Klimaeffekts in der Schweiz verantwortlich. Gemäss Wachstumsprognosen von über 3% pro Jahr (Prognose vor der Coronakrise) wird die Luftfahrt bis 2030 der grösste Treiber des Klimaeffekts in der Schweiz sein. Entsprechend sollte allen klar sein, dass es fürs Erreichen der ratifizierten Klimaziele von Paris (Netto-Null-CO2 und somit das 1.5 Grad-Ziel) umgehend eine massive Reduktion der Treibhausgasemissionen aus dem Flugverkehr braucht.

 

Unterstützung ist weder öko(-) noch logisch

Der Kriterienkatalog, welcher der Bundesrat als Fundament für die finanzielle Unterstützung der beiden Fluggesellschaften SWISS und Edelweiss verwendet, hat ausschliesslich wirtschaftspolitische Ansprüche im Blick. So dürfen die vom Bund garantierten Gelder nur in schweizerischen Infrastrukturen fliessen und somit nicht an die Muttergesellschaft ins Ausland abfliessen. Zudem müssen gemäss dem Bundesrat zukünftig erwirtschaftete Mittel prioritär zur Rückzahlung der Bundesgelder verwendet werden. Entsprechend dürfen im Zeitraum der Rückzahlung keine Dividenden ausgeschüttet werden. 

Der Kriterienkatalog, welcher der Bundesrat als Fundament für die finanzielle Unterstützung der beiden Fluggesellschaften SWISS und Edelweiss verwendet, hat ausschliesslich wirtschaftspolitische Ansprüche im Blick.
— Christine Badertscher

Dabei wäre es dringend nötig, dass staatliche Rettungsaktionen wie diese, endlich auch an ökologische Bedingungen gebunden werden – eigentlich ganz logisch. So muss eine Flugticketabgabe von mindestens 380 Franken pro emittierter Tonne CO2-Äquivalente eingeführt werden (Berechnung des deutschen Umweltbundesamts). Zudem müssen die Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber sich mit einer Zielvereinbarung zum Erreichen der Pariser Klimaziele verpflichten. 

Scheinbar selbstverständlich sollte auch die Aufhebung der bestehenden Steuerprivilegien im Bereich der Mineralöl-Besteuerung und der Mehrwertsteuer für Fluggesellschaften sein. In der Schweiz werden Benzin und andere Mineralöle besteuert – internationale Flüge sind jedoch von der Treibstoffsteuer befreit. Durch diese Lücke im Steuersystem werden jährlich Kosten von rund 1,3 Milliarden Franken der Allgemeinheit übertragen (alleine die Klimaschäden belaufen sich auf jährlich 983 Millionen Franken). 

 

Corona-Milliarden müssen nachhaltig eingesetzt werden

Für so manche von uns ist völlig klar, dass die Coronakrise nicht die einzige Krise ist, in der wir uns befinden – dem Bundesrat offensichtlich nicht. Entsprechend müssen bei jedem Einsatz öffentlicher Gelder Beschäftigte und das Klima an erster Stelle stehen. 

Damit nach der Coronakrise ein ökologischer Neustart gelingt, sollten jene Arbeitnehmende, die von den Flugbranche abhängig sind, vorübergehend mit Kurzarbeitsgeldern unterstützt werden. Um diesen Angestellten auch längerfristig eine Perspektive zu geben, muss ein Umschulungs- und Weiterbildungsfonds geschaffen werden. Nur so ist es möglich, den Angestellten in klimaverträglichen Sektoren des öffentlichen Verkehrs eine Zukunft zu bieten. Wenn man bedenkt, dass rund 80% der Flugdestinationen aus der Schweiz in Europa liegen und mit dem klimafreundlicheren Zug erreicht werden können, sind solche Umschulungen, die einzig wahre Perspektive für Angestellte des Flugsektors.